Bericht vom Forumstreffen am 15.11.2006

Tagesordnung:
Termin: Nächstes Forumstreffen am 7. März um 17.30 Uhr, Haus der Gesundheit - Saal
Top 1: Diskussion mit der Bundestagsabgeordneten Frau Renate Schmidt (SPD)
Top 2: Gemeinsamer Aktionstag 2007
Top 3: Neuer Erlangen-Stadtplan barrierefreier Rundgang
Top 4: Seniorenmesse

Top 1:

Herzlich begrüßen durften wir unsere SPD-Bundestagsabgeordnete Frau Renate Schmidt, die sich den Fragen der rund 30 Vertreterinnen und Vertreter der Behindertenorganisationen und Selbsthilfegruppen stellte und zu den vielfältigen Themen und Problemlagen viel zu sagen hatte.

Viele Fragen gingen auf eingeschränkte Krankenkassenleistungen und die aktuelle Gesundheitsreform ein. Die Bundestagsabgeordnete Frau Schmidt sieht in dieser Reform einen wichtigen Schritt nach vorne. Wichtig sei, dass die Kopfpauschale (einkommensunabhängiger Beitrag) verhindert werden konnte. Stattdessen wird ein Gesundheitsfonds aller gesetzlichen Krankenkassen eingerichtet. Krankenkassen mit vielen Mitgliedern aus Risikogruppen, wie die AOK, erhalten dann einen Ausgleich. Sorgen um weitere Belastungen und Leistungseinschränkungen bei der Gesundheitsreform für Menschen mit Behinderungen und chronisch Kranke entgegnete Frau Renate Schmidt, dass bei dieser Gesundheitsreform keine Leistungseinschränkungen anstünden, sondern vielmehr Verbesserungen bei den Präventionsleistungen. Ein wesentlicher Fortschritt sei, dass die geriatrische Rehabilitation Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenkassen wird. Dann hätten auch pflegebedürftige und schwer behinderte Menschen im Alter einen Anspruch auf Rehabilitation. Verbesserungen gäbe es auch bei der Hilfsmittelversorgung für Personen, bei denen eine volle Teilhabe am Leben der Gemeinschaft nicht mehr möglich ist. Außerdem würden die Leistungen für Familien im Bereich der Vater-Mutter-Kind-Kuren verbessert.

Von der Rheumaliga und der Herzsportgruppe wurde kritisiert, dass Rehabilitationssport nicht mehr in dem früheren Umfang von den Krankenkassen bezuschusst wird. Für den Herzsport werden innerhalb von 2 Jahren nur noch 90 Einheiten genehmigt, die bereits nach einem halben Jahr aufgebraucht sind. Die Wassergymnastik für Rheumapatienten wird nicht mehr übernommen. Renate Schmidt verwies auf den Gemeinsamen Bundesausschuss. Dieser ist ein Gremium der Selbstverwaltung der Ärzte, Krankenkassen und Krankenhäuser. Seine Aufgabe ist es, zu konkretisieren, welche ambulanten und stationären medizinischen Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind und somit zum Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung gehören (siehe www.g-ba.de). Als Schirmherrin der Kampagne „Helfen – nicht vergessen“ der Deutschen Alzheimergesellschaft kenne sie im Zusammenhang der Medikamentenzulassung die Fragestellung: Was wird als nützlich angesehen? Das Richtige und Nützliche müsse auch finanziert werden. Schließlich gebe es für Betroffene noch die Möglichkeit, Einspruch zu erheben.

Befürchtungen, dass Versandapotheken den Apotheken vor Ort die Existenzgrundlage entziehen, konnte Frau Schmidt nicht folgen. Wenn es für den Kunden billiger ist, regelmäßig benötigte Medikamente im Internet zu bestellen, sei es im Interesse des Patienten, dass er die Wahlfreiheit hat. Ein Zwang, über günstigere Versandapotheken zu bestellen, bestünde nicht.

Herr Holz beklagte, dass die Kosten für Hörgeräte oft zehnmal höher sind als der Krankenkassenzuschuss hierfür und Hörgeräte-Batterien gar nicht mehr übernommen werden. Hierdurch würden Menschen mit Hörbehinderung verstärkt in die Isolation getrieben. Die gesellschaftliche Isolation sei eine Hauptursache, weshalb die Suizidrate bei Hörbehinderten besonders hoch sei. Um sich dieser Problematik weiter annehmen zu können, bat Frau Schmidt um eine Aufstellung der Kosten für Hörgeräte und Batterien und der Krankenkassenbeteiligung.

Herr Paulus von der DGM schilderte seine Probleme mit der privaten Krankenkasse, die die Beatmungspflege nicht mehr wie bisher bezahlen will. Hier sieht Frau Schmidt eine Verbesserung, wenn nach der Gesundheitsreform ein Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung ohne Gesundheitsprüfung möglich wird.

Die Erfahrungen der Gehörlosen zeigen, dass notwendige Dolmetscherkosten oft nicht übernommen würden. Das Problem sei nicht, dass es zu wenige Gebärdendolmetscher gibt. In einem Beispiel wurde geschildert, dass eine Gehörlose ihre Ausbildung nach einem Jahr abbrechen musste, weil die Kostenübernahme eingestellt wurde. Die Bundestagsabgeordnete Frau Schmidt meinte, dass es in diesem Punkt keine neuen Gesetze bräuchte, sondern dass die bestehenden Regelungen erst einmal richtig umgesetzt werden müssten. Sollte es hierbei zu Problemen kommen, könne man sie gerne in ihrer Bür-gerspechstunde besuchen. Auch eine Petition könnte ein geeignetes Mittel sein.

Herr Hildner vom Stib e.V. betont die Wichtigkeit, Chancen auf einen angemessenen Arbeitsplatz zu haben für ein gleichberechtigtes Leben in Würde. Für die Ausbildung von Menschen mit Schwerbehinderung würde zwar viel geleistet, aber oft fehle es zunehmend an der Bereitschaft der Arbeitgeber, Behinderte einzustellen. Die Ausgleichsabgabe habe sich nicht als Lösung dieses Problems bewährt. Er schlägt vor, öffentliche Aufträge von der Einhaltung der Beschäftigungspflicht abhängig zu machen. Dies dürfte nach Auffassung von Frau Schmidt im Hinblick auf europäisches Recht nicht möglich sein. Insgesamt sei die Arbeitslosenquote Behinderter niedriger als im europäischen Vergleich. Leider sei die Beschäftigungsquote beim Bayerischen Staat nicht vorbildlich. Das amerikanische Modell, über ein Equal-Rights-Gesetz allen Bevölkerungsgruppen gleichen Zugang zum Arbeitsmarkt zu verschaffen, würde die Probleme auch nicht lösen. Dort werde nur beim Aufbau eines Unternehmens auf die Zusammensetzung der Belegschaft geachtet, die dem Bevölkerungsdurchschnitt entsprechen müsse. Später verliere sich diese Wirkung wieder. Trotz unseres Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes wird es in Deutschland schwierig sein, mehr Arbeitsplätze für behinderte Arbeitssuchende zu schaffen, solange die hohe Arbeitslosigkeit anhält.

Bei der Rentenversicherung gäbe es nach Auffassung von Frau Renate Schmidt keine wesentlichen Änderungen. Zu erwarten sei eine geringe Beitragssteigerung. Bis 2012 werde das Renteneinstiegsalter stufenweise auf 67 Jahre angehoben. Das sei eine Notwendigkeit aufgrund der demographischen Entwicklung, aber auch wenn man betrachte, dass heute im Durchschnitt mit 60 Jahren in Rente gegangen wird. Während früher die Rentenbezugsdauer durchschnittlich 6 Jahre betrug, sind es heute 17 Jahre. Durch längere Ausbildungszeiten sei eine Beitragszeit von 45 Jahren aber die Ausnahme. Die Heraufsetzung des Rentenalters soll aber kein Rentenkürzungsprogramm werden, sondern es soll die Bereitschaft gefördert werden, ältere ArbeitnehmerInnen zu beschäftigen. Es gehe auch darum, Produkte für ältere Kunden zu entwickeln und zu vermarkten. Minister Müntefering möchte gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit und den Unternehmen die Einstellung von Menschen über 50 Jahre fördern.

Bei der Förderalismusreform konnte sich Frau Schmidt nicht der Fraktionsmehrheit anschließen, obwohl sie sonst bei demokratischen Mehrheitsentscheidungen diszipliniert sei. Die Zersplitterung des Bildungssystems in 16 Staaten beeinträchtige die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Eltern, von denen zunehmende Flexibilität erwartet wird, müssen für ihre Kinder auch beim Umzug in ein anderes Bundesland gleiche Voraussetzungen bei Lehrinhalten und Tagesstättenangeboten haben. Das Heimgesetz war bisher ein zustimmungspflichtiges Bundesgesetz und wird nun durch 16 Ländergesetze abgelöst. Es besteht die Sorge, dass nicht immer der Stand der Entwicklung, sondern die Kassenlage der Länder die Standards diktieren könnte. Im Bundesheimgesetz sollten z.B. neue Wohnformen für Demenzkranke eingeführt werden, was nun nicht mehr umgesetzt werden kann.

Für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen könne die Pflegeversicherungsreform mehr Gerechtigkeit bringen, wenn der Pflegebegriff neu formuliert wird. Bisher orientierte sich der Pflegebegriff einseitig an körperlich Pflegebedürftigen. Die zeit- und kraftaufwendige Beaufsichtigung und Anleitung bei Demenzkranken komme noch zu kurz.

Fragen von Frau Winter vom Blindenbund zum Art. 17 des Schulfinanzierungsgesetzes, Sonderpädagogischen Mehrbedarf, Förderungen von Hörbüchereien und zum Bayerischen Gleichstellungsgesetz möchte Frau Schmidt an den Landtagsabgeordneten Herrn Vogel weiterleiten.

Auch wegen der künftigen Zuständigkeit für ambulante und stationäre Eingliederungshilfe in Bayern verwies sie auf die Landtagsabgeordneten.

Der Behindertenbeauftragte Herr Grützner bemängelte, dass im Bereich der Barrierefreiheit von Gaststätten bereits erreichte Fortschritte auf bayerischer Ebene durch das neue Bundesgaststättengesetz zunichte gemacht würden. Frau Schmidt versprach, sich dieses Themas anzunehmen.

Das Forum bedankt sich bei Frau Renate Schmidt für ihren Besuch und dafür, dass sie zu den vielen Themen Stellung genommen hat. Wir werden sicher in Zukunft weiter die Gelegenheit nutzen, auf unsere Bundestagsabgeordnete zuzugehen und unsere Anliegen an Sie heranzutragen.

Top 2:

Die Forumsmitglieder beschließen nach eingehender Diskussion, dass wir auch im Jahr 2007 wieder einen Aktionstag auf dem Schlossplatz machen möchten. Der Rathausplatz bietet noch weniger Fläche und wird ebenfalls am Samstag von Marktständen belegt.

Wegen anderer Veranstaltungen kommt leider nur noch Samstag, der 14. Juli 2007 in Frage – zeitgleich mit dem Selbsthilfetag in Nürnberg. Um mehr Aufmerksamkeit für die Darbietungen zu erreichen, wollen wir kein geschlossenes Zelt mehr aufbauen, sondern auf der linken Seite eine überdachte Bühne. Der Kletterturm und der Rollstuhlparcours sollen in der Mitte aufgebaut werden, Essen und Trinken mit Sitzgelegenheiten auf der rechten Seite mit Pavillons. Eine bessere Beschallung wird auch angestrebt. Wir hoffen, dass wir es so schaffen, dass alle Stände genauso viel Zulauf erfahren.

Das nächste Forumstreffen am 7. März soll der ausführlichen Planung dienen, insbesondere der Aufteilung der Infostände und der Aufgabenverteilung.

Top 3:

Der Behindertenberater der Stadt Herr Grützner stellt den Entwurf eines überarbeiteten Stadtplans „Barrierefreier Stadtrundgang“ vor. Darin wird wieder die Innenstadt mit einem kulturhistorischen Führer beschrieben. Ampeln, Behindertenparkplätze und Rollstuhltoiletten sind im Stadtplan gekennzeichnet. Informationen von A–Z für behinderte Menschen bieten zusätzlich Rat. Herr Grützner bittet die Anwesenden um Rückmeldung. Außerdem kann noch am nächsten Mittwoch um 15.00 Uhr bei einem Treffen im Rathaus auf die Gestaltung Einfluss genommen werden. Herausgegeben wird der Stadtplan vom Citymanagement – er richtet sich vorrangig an behinderte Gäste und Touristen.

Top 4:

Der Behindertenberater des Landkreises Herr Müller lädt zur Seniorenmesse am 25.11.06 in die Hauptschule Baiersdorf.

Zusammengefasst von Axel Bauer
Sprecher des Forums behinderte Menschen in ER/ERH

 

| Seite drucken |